Handlese

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Hey Nick, warum ist Handlese ein Muss?

Um diese etwas dogmatisch anmutende Frage zu beantworten, möchte ich sie aus der Perspektive als Winzer beschreiben. Ich möchte veranschaulichen, was die Lese sowohl für die Winzer*innen als auch für die Weine bedeutet.

Wer Leidenschaft für die Berufung des Weinbaus empfindet, begleitet die Reben täglich wie ein sorgendes Elternteil, stets bemüht den Zöglingen das beste Umfeld für ein gutes Aufwachsen zu bereiten. Wer so eine emotionale Bindung zu den Weinbergen verspürt, kann nur schwerlich mit sich vereinbaren, dass eine tonnenschwere Maschine durch die Weinberge rauscht, und die Trauben lieblos zusammenschüttelt. Das ist einer der Gründe, warum viele Winzer*innen (auch im konventionellen Weinbau), auf die Handlese bestehen. Es mag ein emotionaler Grund sein, doch er ist faktisch untermauert. Es ist zwar korrekt, dass die Vollernter (also überzeilig arbeitende Erntefahrzeuge) immer besser, also schonender und selektiver werden. Nie aber werden sie so schonend und selektiv sein wie die Handlese. Unabhängig davon wird auch die beste photometrisch arbeitende Sortiermaschine im Inneren des Vollernters nie an die Qualität eines/r Handlesenden herankommen.

Schonende Handlese

Wir Menschen können durch direktes Abtrennen der von Fäulnis befallenen Teile verhindern, dass befallener Saft in Kontakt mit der Restmenge kommt. In einer Sortiermaschine, durch die alle Trauben gemeinsam laufen, ist das nicht möglich. Aus diesen hygienischen Gründen ist die Handlese für Naturwein unerlässlich, nur so kann auch ohne Schwefel ein stabiler fehlerfreier Wein hergestellt werden. Als ich teilweise noch mit maschinell geerntetem Lesegut arbeitete, kam es durchaus vor, dass ich Rebstöcke, Teile der Drahtanlage, Vögel, Mäuse, und dergleichen mehr aus dem Anhänger, oder der Traubenwanne, fischte.

Beim Schreiben des letzten Satzes versuchte ich mich zu erinnern, wieviele Vogelnester und Mauselöcher ich dieses Jahr in den Weinbergen finden durfte. Ich vermag sie nicht zu zählen, und versuche stattdessen dankbar zu sein, für die paradiesische Biodiversität, die ich meinen Arbeitsplatz nennen darf.

Handlese

Womit ich erneut emotional argumentiere, also: Back to the facts. Elementarer Bestandteil der konstanten Ziele nachhaltig denkender Winzer*innen ist ein stetiger Humusaufbau. Die entscheidenden Faktoren dafür sind eine hohe Biodiversität, der Aufbau organischer Masse, und eine minimalinvasive Bodenbearbeitung. Der Vollernter arbeitet konträr zu diesen Zielen. Mit seinen circa 8-10 Tonnen Leergewicht verursacht er Bodenverdichtung, die über Jahre behoben werden müsste. Die Biodiversität wird massiv beeinträchtigt, siehe am Beispiel der Vögel und Mäuse. Und sowohl bestehende als auch zukünftige Begrünung wird sich schwertun, organische Masse zu bilden.

Überhaupt ist Humusaufbau nicht nur eine fixe Idee verkopfter Biodynamiker, die über ihren Gemüsegarten reden, vielmehr gehört er zu den wichtigsten Bausteinen, um den Klimawandel zumindest zu verlangsamen. Sowohl die organische Masse, also die Pflanzen einer Begrünung, als auch der Humus selbst, binden CO2. Ich weiß schon, “des bissle macht doch eh nix aus”, aber es geht um langfristige Veränderung, und flächendeckende Verbesserung der Ökobilanz. Auf dieser Ebene macht “des bissle” eines/r Jeden/r definitiv etwas aus. Also: Der Verzicht auf maschinelle Lese mag als ideologische Glaubenssache anmuten, doch er bedeutet weit mehr!

Ich danke für das Interesse und wünsche viel Spaß auf der Naturweinwelt.
Nick Hanel

PS: Die Auswirkung maschineller Behandlung auf den späteren Wein werde ich in einem zukünftigen Text behandeln.